Schlechte Verträge, geplatzte Einzugstermine und am Ende 29 Mängel pro Haus: Auch zwei Jahre nach der Einführung verbesserter Verbraucherrechte müssen private Bauherrn auf böse Überraschungen gefasst sein. Wie Sie sich schützen können.
Etwa 95 Prozent aller privaten Bauherrn entscheiden sich für ein Haus von der Stange. Schlüsselfertig bauen klingt schließlich nach Rundum-Sorglos-Paket. Nach Profis am Werk und schnellem Einzug. Viele vertrauen dabei auf das neue Bauvertragsrecht, das Laien seit 2018 besser schützen soll.
Planungsfehler und Baumängel keine Ausnahmen
Wer sich unter solchen Vorzeichen ins Abenteuer Hausbau stürzt, dürfte sein blaues Wunder erleben. Auch zwei Jahre nach Einführung verbesserter Verbraucherrechte gehören schlampige Planung, Ärger und Pfusch am Bau zum Alltag, so die ernüchternde Bilanz von Holger Freitag, Vertrauensanwalt des Verbands Privater Bauherren (VPB). Laut Bauherrnschutzbund (BSB) sind pro Hausbau inzwischen 29 Mängel an der Tagesordnung, was im Schnitt stolze 84.000 Euro an Zusatzkosten bedeutet. Nur wer Experten an seine Seite holt, kann sich vor dem Reinfall schützen.
Problemfall Baubeschreibung
Seit 2018 haben private Bauherrn Anspruch auf eine präzise Baubeschreibung. Die Unterlagen sind das A und O für alle, die schlüsselfertig bauen wollen. Nur so erfahren Interessenten im Detail, was sie für ihr Geld bekommen und was zur Vertragsgrundlage wird.
In den Unterlagen müssen wesentliche technische Eigenschaften des Objekts verständlich beschrieben sein - etwa zur Dachdämmung, zum Innenausbau, zum Energiestandard.
„Die Wirklichkeit ist aber leider eine andere“, warnt Uta Maria Schmidt, Architektin und Bauberaterin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Nach ihren Erfahrungen ist ein Großteil der Baubeschreibungen nach wie vor lückenhaft. Angaben, welcher Estrich zum Einsatz kommt, welcher Wärme- und Schallschutz verbaut wird, ob das Mauerwerk aus Kalksandstein, Porenbetonstein oder Mauerziegeln erstellt wird, fehlen häufig komplett.
Dabei sind die Beschreibungen enorm wichtig, damit die Qualität stimmt und die Kosten kalkulierbar bleiben, heißt es auch beim VPB. Fehlen etwa der Erdaushub oder die Hausanschlüsse, hat der Bauherr schnell Extrakosten von 50.000 Euro am Hals. Nach Einschätzung des BSB ist die Fehleranfälligkeit schon bei der Planung immens.
So können Bauherren gegensteuern
Die Baubeschreibung des Anbieters gehört immer geprüft. Meist muss hart nachverhandelt werden. Unterstützung bieten Anwälte, die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz oder Bauherren-Schutzgemeinschaften wie der VPB oder der BSB. „Die Investition in einen Sachverständigen rechnet sich“, betont Verbraucherschützerin Schmidt. Wer vom Anbieter zur schnellen Unterschrift gedrängt wird, sollte lieber die Finger vom Projekt lassen. Gleiches gilt, wenn die Baufirma keine Nachverhandlungen zulassen will. „Besser das Objekt sausen lassen als lückenhafte Unterlagen akzeptieren, die Qualitätsmängel und hohe Folgekosten auslösen können“, mahnt auch Freitag zur Vorsicht.
Problemfall Fertigstellung
Der Schlüsselfertiganbieter muss seit 2018 in der Baubeschreibung verbindlich angeben, wann das Haus fertig ist. Steht der Baubeginn noch nicht fest, muss zumindest die Dauer der Baumaßnahme genannt sein.
Soweit die Theorie. In der Praxis drücken sich die Firmen in der Regel aber gern vor konkreten Zeitpunkten, wie BSB-Geschäftsführer Florian Becker erläutert. So manche sichern sich gar mit Verlängerungsklauseln ab. Wegen des Baubooms sind die meisten Anbieter überlastet. Die hohe Auftragslage und der Handwerkermangel begünstigen Nachlässigkeit. „In den überwiegenden Fällen werden – trotz geltenden Rechts – keine datierten Fertigstellungstermine vereinbart. Und so auch keine damit verbundenen Vertragsstrafen“, warnt Thomas Somplatzki, Fachanwalt für Baurecht. Er prüft im Auftrag der Verbraucherzentrale regelmäßig Verträge.
So können sich Bauherren absichern
Schlüsselfertig bedeutet nicht bezugsfertig. Bauherrn müssen darauf dringen, dass sich der Anbieter auf Fertigstellungstermine und Vertragsstrafen einlässt. Auch hier kann ein Sachverständiger helfen. Zeitliche Puffer sollten in jedem Fall einkalkuliert werden. Verzögert sich der Einzug, kann das empfindlich teuer werden für all die, die monatelang noch ihre Miete weiter schultern müssen.
Außerdem sollte sich der Bauherr eine Fertigstellungs-, besser auch noch eine Gewährleistungsbürgschaft geben lassen. Falls der Unternehmer insolvent geht, wird das Geld freigegeben, und der Bauherr kann sein Haus fertig bauen. Stimmt das Unternehmen zu, wird es die anfallenden Kosten allerdings auf den Preis aufschlagen.
So steuern Bauherren gegen
Ein unabhängiger Sachverständiger kann auch hier bares Geld wert sein. Mit seiner Hilfe kann mit der Anbieterfirma ein realistischer Zahlungsplan vereinbart werden. Außerdem ist seine Unterstützung auch während der Bauphase unbedingt ratsam, wie Freitag betont.
Abschläge fließen nur dann in voller Höhe, wenn das, was bezahlt werden soll auch mängelfrei dasteht. In der Regel sind dafür etwa fünf bis sechs Kontrolltermine auf der Baustelle notwendig: Er oder sie checkt, ob im Keller die Bodenplatte, Wände und Abdichtung in Ordnung sind, bevor die Baugrube verfüllt wird. Ob die Rohbaukonstruktion okay ist, bevor das Dach gedeckt wird. Ob die Wärmedämmung passt sowie die elektrischen und sanitären Rohinstallationen, bevor der Putzer kommt. Außerdem, ob die Installationen auf Bodenplatte und Decke stimmen, bevor der Estrich kommt. Ist das Haus dicht, sind Thermografie und Luftdichtigkeitstest fällig.
Etwa zwei Wochen vor Übergabe des Hauses bereitet der Bausachverständige zusammen mit dem Bauherrn die Abnahme vor – und begleitet ihn bei Bedarf zur Abnahme.
Tipp: Seriöse Sachverständige oder Bauherrenberater arbeiten firmen- und produktneutral, sind wirtschaftlich unabhängig von Lieferanten, Unternehmern, Architekten, Fachplanern, Baufinanzberatern oder Maklern.
Ihr Honorar bezahlt der Bauherr, der auch Auftraggeber ist. Ein Bausachverständiger verlangt nach VPB-Angaben im Schnitt Honorarsätze von 70 bis 110 Euro die Stunde und mehr, je nach Einzelfall. Die Investition kann sich lohnen. Denn: Die baubegleitende Kontrolle eines Experten kann häufig Schäden im Wert eines Kleinwagens verhindern. Auch die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz bietet Bauberatung an. Für die Prüfung einer Baubeschreibung und eines Vertrags werden jeweils 145 Euro fällig.
Quelle: Focus Online
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