Die SPD will eine Steuer auf den Wertzuwachs von Grundstücken. Städte wie München und Frankfurt gehen einen anderen Weg. Auch sonst haben die Kommunen Wege gefunden, wie sie profitieren können.
Abgesehen von Fußballern, Spitzenmanagern und Rockstars ist den wenigsten Menschen gegeben, mit ihrer Arbeit reich zu werden. Mit Grundstücken gelingt das schon eher, speziell, wenn sie in begehrten Lagen liegen. Auch wenn aus Ackerland Bauland wird, locken hohe Wertzuwächse. Dieses Phänomen treibt die Politik zunehmend um, schließlich ist der Unmut der Bürger über die hohen Mieten und Immobilienpreise allgegenwärtig. Kann man sich mit dem, was man verdient und spart, den Traum von den eigenen vier Wänden irgendwann leisten? Oder zumindest die Miete im angesagten Viertel? Bleibt das Wohnen in Deutschland bezahlbar?
Während aus dem Bundesbauministerium von Horst Seehofer (CSU) seit der Einführung des Baukindergelds nur noch wenig zu hören ist, versuchen die Sozialdemokraten, dieses Thema zu besetzen. Zuletzt sorgte der Ko-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans mit seiner Forderung nach einer Bodenwertzuwachssteuer für Schlagzeilen. Sein Ziel: Die Kommunen sollen von den Gewinnen profitieren, die entstehen, wenn durch einen Gemeinderatsbeschluss ein Grundstück an Wert gewinnt.
Der Politiker beruft sich dabei auf Hans-Jochen Vogel. Der war zunächst Oberbürgermeister in München, anschließend Bauminister und später Justizminister im Bund, schließlich Kanzlerkandidat sowie Vorsitzender von Partei und Fraktion und ist mittlerweile 93 Jahre alt. Die Entwicklung der Immobilienpreise beschäftigt ihn nach wie vor. Die hohen Mieten führt Vogel vor allem auf die gestiegenen Bodenpreise zurück. Um rund 35.000 Prozent hätten diese allein in München seit 1950 zugelegt. Anfang der sechziger Jahre entfielen nach seiner Rechnung nur 8 Prozent der Kosten eines Neubaus auf das Grundstück, der Rest auf den Baupreis. Heute machten die Grundstücke dagegen 79 Prozent der Kosten aus.
Vorbild München
Immer wieder fordert das SPD-Urgestein mehr Gerechtigkeit auf diesem Feld. „Es kann nicht angehen, dass Bodeneigentümer für jeden öffentlichen Eingriff Entschädigung erhalten, aber die Gewinne, die ihnen durch öffentliche Entscheidungen erwachsen, für sich behalten können“, schreibt er in seinem Buch „Mehr Gerechtigkeit!“. Vieles, was Vogel fordert, hat seine Partei vergangenen Dezember auf dem Parteitag beschlossen: das Abschöpfen des Bodenwertzuwachses mit einer eigenen Steuer, die Verankerung eines Planungswertausgleichs im Baugesetzbuch und auch die Abschaffung der Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne in der Einkommensteuer. Die SPD will das Wohnen nicht länger dem freien Markt überlassen. „Denn das wichtigste wohnungspolitische Ziel ist, dass niemand mehr als 30 Prozent für die Miete bezahlen muss“, beschloss der Parteitag.
Was bei den hochtrabenden Forderungen häufig untergeht: Auf der Ebene der Lokalpolitik tut sich längst etwas. Das Vorbild ist dabei München mit seinem Leitsatz „Sozialgerechte Bodennutzung“, unter Stadtplanern „SoBoN“ abgekürzt. Seit 1994 bittet die Stadt sogenannte „Planungsbegünstigte“ zur Kasse. Sie berechnet dazu den Wertzuwachs, der zum Beispiel dann entsteht, wenn aus Bauerwartungsland Bauland wird oder wenn auf einer Gewerbefläche Wohnungen gebaut werden dürfen. Bis zu zwei Drittel dieses Planungswertgewinns kann die Stadt für sich beanspruchen, um zum Beispiel neue Plätze in Kinderkrippen und Schulen zu bauen.
Grundsteuer C
Auch Frankfurt hat dieses Modell für sich entdeckt und Ende vergangenen Jahres den sogenannten „Baulandbeschluss“ auf den Weg gebracht. Auch hier sollen, wenn das Stadtparlament wie geplant im März zustimmt, die Gutachterausschüsse einen Vorher-Nachher-Vergleich der Bodenwerte anstellen, wenn etwa auf ehemaligem Ackerland oder alten Industrieflächen gebaut wird. Und auch hier gilt: Bis zu zwei Drittel des Wertzuwachses sollen die Eigentümer der Grundstücke an die Stadt abtreten, die damit die Infrastruktur in dem jeweiligen Viertel ausbauen will. Dass mancher Bauherr nach Bekanntwerden der Pläne drohte, sein Grundstück künftig einfach brachliegen zu lassen, brachte die Verantwortlichen nicht von ihrem Plan ab. In einer Stadt mit so hohen Mieten und Immobilienpreisen wie Frankfurt bebaue jeder, der es könne, seine Grundstücke, heißt es.
Auch sonst haben die Kommunen Wege gefunden, wie sie von den Wertsteigerungen profitieren können, wenn sie aus Ackerland Bauland machen. Sie schließen beispielsweise Verträge mit den Eigentümern, die ihnen bis zu 50 Prozent des Bodens übertragen, den sie dann ihrerseits bebauen oder veräußern können. Da die Eigentümer zudem die Erschließungskosten für die neue Straße und den Spielplatz tragen müssen, ist mittlerweile der finanzielle Vorteil aus der Umwandlung zuweilen so gering, dass sich diese Eigentümer gegen das Baurecht wehren.
Ein neues und zugleich altes Instrument zur Gewinnung von Bauland ist die Grundsteuer C. So wurde kurz vor Weihnachten nicht nur die Grundsteuer für bebaute Grundstücke reformiert (was nicht zuletzt in teuren Lagen zu höheren Belastungen führen dürfte). Zugleich bekamen die Gemeinden die Möglichkeit, baureifes Land höher zu belasten – um so einen Anreiz zur Bebauung oder zum Verkauf zu geben. Auf einer anderen Baustelle tut sich dagegen wenig: Während Vogel dafür wirbt, die Grunderwerbsteuer überall in Deutschland wieder auf den alten Satz von 3,5 Prozent zu senken, schweigt sich seine Partei dazu in ihrem Beschlusspapier „Bezahlbares und sicheres Wohnen“ aus. Viele Landesregierungen haben die Steuer erhöht, um mehr Geld einnehmen zu können. Fünf Bundesländern verlangen mittlerweile 6,5 Prozent vom Kaufpreis, drei weitere 6 Prozent.
Quelle: FAZ
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